Die meisten Verkehrsteilnehmer kennen diesen Schreck, der einen in die Glieder fährt und aus den Gedanken weckt. Dieses grell nur kurz aufleuchtende rote Blitzlicht. In der Regel entgleist einem dann der bekannte mit Sch... beginnende Fluch. Der erste klare Gedanke sagt einem sodann, "zu spät." Doch ist es wirklich zu spät?
Die Antwort lautet: Nein!
Im Gegensatz zu den meisten europäischen Nachbarstaaten gibt es in Deutschland keine Halterhaftung für Vergehen im fließenden Straßenverkehr. Das heißt, die zuständige Behörde, welche einen Geschwindigkeitsverstoß ahnden will, muss zunächst den Fahrer ermitteln. Nur dieser kann bestraft werden. Die Fahrerermittlung stellt oft eine nicht zu überwindende Hürde dar. Die Behörde verfügt schließlich nur über ein Lichtbild, auf welchem der Fahrzeugführer sowie das Fahrzeugkennzeichen abgebildet sind.
Über das Kennzeichen werden sodann die Daten des Fahrzeughalters ermittelt. Stimmt das Geschlecht und Alter halbwegs mit dem Frontfoto überein, reicht dies im Regelfall aus, um ohne weitere Prüfung ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten. Obwohl rechtlich unzulässig, wird gelegentlich zur Sicherheit beim Einwohnermeldeamt ein Personalausweisfoto vom Fahrzeughalter abgefordert, um dieses mit dem Frontfoto der Messung zu vergleichen.
Was passiert, wenn sich herausstellt, der Fahrzeughalter ist nicht der Fahrzeugführer gewesen oder die Halterin ist eine Firma?
Spätestens jetzt ist bei der Behörde Eile geboten. Sollte es nicht gelingen, innerhalb einer Frist von drei Monaten ab dem Tattag den Fahrer zu ermitteln; tritt Verjährung ein. Die Akte kann dann geschlossen werden. Daher ergeht zur Fahrerermittlung regelmäßig die Aufforderung an den Halter, den Fahrer zu benennen. Entgegen allgemeiner Annahme besteht diese Verpflichtung indes nicht. Allerdings sehen sich die Meisten zur Benennung des Fahrers veranlasst, weil die Aufforderung zur Fahrerbenennung meist mit der Androhung der Verhängung eines Fahrtenbuches verbunden ist. Die Verhängung eines Fahrtenbuches gegen den Halter soll erfolgen, wenn der Fahrer aufgrund seiner fehlenden Mitwirkung nicht rechtzeitig vor Verjährungseintritt ermittelt werden kann.
Ob der Fahrer preisgegeben wird, soll jedoch gut überlegt sein; insbesondere wenn neben der Geldbuße noch ein Fahrverbot droht. In der Praxis bleibt die Verhängung eines Fahrtenbuches die Ausnahme, zumal hierfür eine andere Behörde zuständig wäre.
Was passiert jedoch, wenn der Fahrer mit dem Halter identisch ist oder auf andere Art ermittelt wurde?
In diesem Fall erhält der Betroffene einen Anhörungsbogen zu dem gegen ihn erhobenen Tatvorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Auch in diesem Fall sollte man nicht resignieren. Oft macht es Sinn, die Fahrereigenschaft zu bestreiten; wenn das Frontfoto beispielsweise von schlechter Qualität ist. Fakt ist, dass in einem möglichen, späteren gerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit eines Bußgeldbescheides der Richter zu der zweifelsfreien Erkenntnis gelangen muss, dass der vor ihm stehende Betroffene zum Vorfallszeitpunkt auch der verantwortliche Fahrzeugführer war. Erst wenn die Fahrereigenschaft außer Zweifel steht, sollten andere Verteidigungsmittel in Erwägung gezogen werden.
Jeden Betroffenen in einem Bußgeldverfahren ist insoweit anzuraten, frühzeitig einen Fachanwalt für Verkehrsrecht zu Rate zu ziehen. Dem oft seitens Rechtsschutzversicherer erteilten Rat, das Anhörungsverfahren bis zum Erlass des Bußgeldbescheides noch selbst durchzuführen, muss dringend widersprochen werden. Nur wer rechtzeitig einen Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung mandatiert ist in die Lage versetzt, alle noch zu Beginn zur Verfügung stehenden Verteidigungsmöglichkeiten auszuschöpfen.
Letztlich stehen jedoch dem Verkehrsrechtsanwalt noch deutlich andere Verteidigungsmöglichkeiten in einem Bußgeldverfahren zur Verfügung. Diese Möglichkeiten sollen Gegenstand des in der nächsten Ausgabe folgenden zweiten Teils sein.